Rechtsanwalt
Kristian Kreuter

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Aktivlegitimation - Exklusive Nutzungs- und Verwertungsrechte müssen nachgewiesen werden

Amtsgericht Düsseldorf - Urteil vom 14.04.2010 (Az. 57 C 15741/09)


Amtsgericht Düsseldorf


IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

In dem Rechtsstreit
der ... Klägerin
Prozessbevollmächtigte:...

gegen

...Beklagte

hat das Amtsgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23.03.2010
durch den Richter am Amtsgericht ... für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Abmahnkosten und Schadensersatz wegen der vermeintlichen öffentlichen Zugänglichmachung eines Musikwerks, an dem sie die ausschließlichen Nutzungsrechte innehabe, über ein Filesharing-Netzwerk im Internet.

Sie ist im Musikgeschäft als Plattenlabel ... tätig, im Rahmen dessen sie Tonaufnahmen entweder selbst herstellt oder diese von Dritten lizenziert und wirtschaftlich auswertet. Zu den von ihr ausgewerteten Tonaufnahmen gehört auch das streitgegenständliche Musikstück …2009 welches sich unter anderem auf dem Kopplungstonträger … befindet.

Die Klägerin hatte das Unternehmen E… in K… mit der Ermittlung von Tauschbörsennutzern beauftragt, die diesen Tonträger einschließlich des entsprechenden Werks in Internet-Tauschbörsen zum Herunterladen anboten. Diese Ermittlungen, deren Ablauf zwischen den Parteien streitig ist, hatten zum Ergebnis, dass auch die Beklagte eine Datei, welche eine spielbare Version des Tonträgers enthielt, öffentlich zugänglich gemacht haben soll. Die Ermittlungskosten betrugen 50,00 € für die Tätigkeit der E GbR sowie 0,69 € für die anteiligen Kosten für die Auskunftserteilung über die IP-Adressen-Zuordnung durch den Internetprovider.

Die Klägerin mahnte die Beklagte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 10.07.2009 ab und forderte neben der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auch die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 500,00 € sowie die Übernahme der Abmahnkosten in Höhe von 704,43 €. Die Beklagte gab zwar die Unterlassungserklärung ab; Zahlungen erfolgten dagegen nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Musikwerk. Die Firma N B.V. in D habe es im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs finanziert und hergestellt. Anschließend habe die Firma die Rechte an den Tonaufnahmen erworben und diese mit Lizenzvertrag vom 03./07.10.2008  auf die Klägerin übertragen. Zudem folge die Rechteinhaberschaft aus dem (P)-Vermerk auf dem Cover des Kopplungstonträgers, der die Klägerin als Rechteinhaberin nenne.

Über den Internetanschluss der Beklagten sei eine Datei mit dem gesamten Kopplungstonträger an zwei Tagen weltweit einem unbeschränkten Nutzerkreis kostenlos zum Download angeboten worden. Die Firma B GbR habe testweise diese Datei heruntergeladen und durch einen Hörvergleich festgestellt, dass sie auch das streitgegenständliche Musikwerk enthalten habe. Anschließend sei der sogenannte Hash-Wert der Datei festgestellt worden, der wie ein Fingerabdruck die Datei eindeutig kennzeichne und von anderen Dateien unterscheide. Mit Hilfe der Software "e" seien dann die IP-Adressen aller Internetanschlüsse, über welche Dateien mit exakt diesem Hash-Wert verbreitet wurden, sowie der genaue Zeitpunkt protokolliert worden.
 
Diese Software arbeite ausweislich eines Gutachtens des Dipl.-Ing.K fehlerfrei. Gemäß einer Auskunft des Internetproviders D.T. AG sei an zwei Zeitpunkten die jeweils ermittelte IP-Adresse dem Internetzugang der Beklagten zugeordnet gewesen.

Nach Ansicht der Klägerin hafte die Beklagte daher als Täterin wegen einer eigenen Handlung bzw. wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Als Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie sei ein Betrag in Höhe von 500,00 € angemessen, der neben den Kosten für die Abmahnung und die Ermittlung der Beklagten geltend gemacht wird.

 

Die Klägerin beantragt daher,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.255,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Sie rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der bei § 32 ZPO herangezogene Grundsatz des fliegenden Gerichtsstands sei einzuschränken; es sei darauf abzustellen, ob sich die Verletzungshandlung im konkreten Fall im Gerichtsbezirk bestimmungsgemäß habe auswirken sollen.

In der Sache bestreitet sie, dass die Firma B der Klägerin exklusive Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Werk eingeräumt hat und hierzu überhaupt selbst in der Lage war. Des Weiteren sei das Gutachten zur Software "e" nicht geeignet, deren Fehlerfreiheit nachzuweisen. Der Vergleich der Hash-Werte könne den Nachweis der Identität nicht begründen; die Möglichkeit von Fake-Dateien oder Leecher-Mods sei nicht berücksichtigt worden. Auch die konkrete Rechtsverletzung sei vorliegend nicht zutreffend ermittelt worden, da bereits das Logfile fehlerhafte Daten aufweise. Anwaltskosten und Schadensersatz seien übersetzt.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze sowie der Entscheidungsgründe verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig; insbesondere ist das angerufene Gericht örtlich zuständig.

Die Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Erfolgsort der unerlaubten Handlung bei einer öffentlichen Zugänglichmachung im Internet nur dort zu sehen ist, wo die Homepage oder Datei, welche das geschützte Werk enthält, bestimmungsgemäß abgerufen wird. Dies war vorliegend jedoch auch im hiesigen Gerichtsbezirk der Fall. Wird eine Datei mit einem Namen, der auf den Inhalt schließen lässt, hier also mit dem Titel des Kopplungstonträgers D D  Vol., zum Download angeboten, so kann jeder Nutzer des Filesharing-Netzwerks, der entsprechende Begriffe in eine Suchmaske seiner Filesharing-Software eingibt, auf die Datei stoßen. Eine Beschränkung des Nutzerkreises, der sich für diesen Tonträger interessieren mag, ist in örtlicher Hinsicht nicht zu erkennen. Damit konnte die Datei bestimmungsgemäß nicht nur deutschland-, sondern sogar weltweit abgerufen werden.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die außergerichtliche Abmahnung nebst Ermittlungskosten noch auf Zahlung von Schadensersatz. Aus dem gleichen Grund scheidet auch der Zinsanspruch aus.

1.

Die Klägerin hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass sie aktivlegitimiert ist. Aufgrund ihres Vortrags kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie wirksam Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Musikwerk "S 2009” geworden ist. Dies gilt zumindest, nachdem sowohl die Rechteübertragung als auch die Berechtigung der Firma B seitens der Beklagten bestritten worden ist.

a)
 Wird einem Nutzer das ausschließliche Nutzungsrecht eingeräumt, so ist es nur noch ihm gestattet, das Werk in der vereinbarten Form zu nutzen. Selbst dem Urheber bzw. gemäß § 72 Abs. 1 UrhG dem Lichtbildner ist es nicht mehr erlaubt, das Werk selbst auf diese Weise zu nutzen oder Dritten ein entsprechendes Nutzungsrecht einzuräumen. Auch eigene Abwehrrechte stehen dem Urheber nur noch zu, soweit seine Urheberpersönlichkeitsrechte oder ausschließlich seine materiellen Interessen betroffen sind (Dreier/Schulze, § 31 Rn. 56, 59 m.w.N.). Aufgrund dieser gravierenden Rechtsfolgen sind an die Darlegung der Übertragung verhältnismäßig strenge Anforderungen zu stellen.

Steht im Streit, ob dem Anspruchsteller ein ausschließliches oder nur ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt worden ist, so muss dieser den Inhalt der Vereinbarung nachvollziehbar darlegen. Ist diesem nicht eindeutig zu entnehmen, dass übereinstimmend eine Übertragung ausschließlicher Rechte gewollt war, ist eine Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Verkehrssitte durchzuführen (Dreier/Schulze, § 31 Rn. 107 f.). Dabei ist jedoch § 31 Abs. 5 UrhG zu beachten; nach der Zweckübertragungslehre überträgt der Urheber im Zweifel keine weitergehenden Rechte, als es der Zweck der Verfügung erfordert; das Urheberrecht hat die Tendenz, soweit wie möglich beim Urheber zurückzubleiben (Dreier/Schulze, § 31 Rn. 110).

b)
Vorliegend genügt der Vortrag der Klägerin nicht, um von einem ausschließlichen Nutzungsrecht bezüglich der hier streitgegenständlichen Nutzungsart auszugehen.

Dies gilt zunächst für die Frage, ob die Firma B der Klägerin tatsächlich ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt hat. Die schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien (”Heads of Agreement") lässt diesen Schluss nicht zweifelsfrei zu.

Zunächst ist diese Anlage entgegen § 184 S. 1 GVG nur in englischer Sprache vorgelegt worden und kann damit im Verfahren nicht zur schlüssigen Darlegung oder zum Nachweis der erforderlichen Rechteübertragung herangezogen werden. Des Weiteren lässt sich alleine aus der Formulierung “exclusive licensing contract” nicht zwangsläufig der Schluss ziehen, dass hiermit die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte im rechtlichen Sinne, insbesondere im Sinne des § 31 Abs. 1 S.2 UrhG, beabsichtigt war. Entweder hätte hierzu seitens der Klägerin näher dargelegt werden müssen, aufgrund welcher Umstände zu schlussfolgern ist, dass die Parteien gerade diese weite Rechteübertragung beabsichtigt hatten; aus den oben genannten Erwägungen, insbesondere der Zweckübertragungsregel, hätte daher erkennbar werden müssen, dass es nach dem Zweck der vertraglichen Vereinbarung nicht ausreichend gewesen wäre, nur einfache Nutzungsrechte zu übertragen. Alternativ hätten auch Tatsachen vorgetragen werden können, die erkennen lassen, dass im englischen Sprachraum die Formulierung “exclusive licensing contract’ regelmäßig für einen rechtlichen Vorgang gewählt wird, der der Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte im Sinne des § 31 Abs. 1 S.2 UrhG entspricht, und dass sich die Parteien dieser Bedeutung auch bewusst waren. Beides ist jedoch nicht der Fall.

Der Vortrag ist auch nicht hinreichend substantiiert, um von einer Berechtigung der Firma B zur Übertragung von Rechten in solch weitem Umfang auszugehen. Die Klägerin hat lediglich behauptet, die Firma N habe die streitgegenständliche Tonaufnahme “im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes finanziert und hergestellt”; anschließend habe die Firma B die Rechte erworben. Soweit damit die Rechte des Tonträgerherstellers nach § 85 UrhG herangezogen werden, sind die entsprechenden Voraussetzungen nicht dargelegt worden. Berechtigter im Sinne des § 85 UrhG ist derjenige, der die organisatorische und wirtschaftliche Leistung erbracht hat, um das entsprechende Material aufzunehmen. Entsprechende Tatsachen, welche den Schluss auf eine organisatorische und wirtschaftliche Leistung zulassen, sind jedoch nicht dargelegt worden. Soweit sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, dass ihr entsprechende Vorgänge unbekannt seien, da sie keine Vertragspartnerin der Firma N sei, entbindet sie dies nicht von ihrer Darlegungslast im Zivilprozess. Gleiches gilt für den Vortrag zur Übertragung der Rechte von der Firma N auf die Firma B. Die Klägerin hat nur ausgeführt, letztere habe “die Rechte an den Tonaufnahmen” erworben; in welchem Umfang dies erfolgt ist und welcher Vertragszweck verfolgt wurde, ist dagegen nicht erkennbar.

Ein gutgläubiger Erwerb von Nutzungsrechten von einem Nichtberechtigten ist ebenfalls nicht möglich.

2.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Aktivlegitimation aufgrund des (P)-Vermerks auf dem Cover des Kopplungstonträgers vermutet wird. Es ist zwar anerkannt, dass das (P)-Zeichen grundsätzlich ein Indiz für die Rechteinhaberschaft begründet (Dreier/Schulze, § 10 Rn. 14 m.w.N.). Gemäß § 10 Abs. 3 UrhG gilt die Vermutung zugunsten des Inhabers ausschließlicher Nutzungsrechte allerdings nur in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes oder bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Beides ist vorliegend nicht der Fall.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11,711 ZPO.

Streitwert: 1.255,98 €

Kein fliegender Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen durch filesharing-AG Frankfurt, Beschluss v. 21.08.2009, Az. 31 C 1141/09-16

 

Bei Urheberrechtsverletzungen, die im Internet durch filesharing begangen worden sein sollen, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohnsitz hat (allgemeiner Gerichtsstand gem. § 12 ZPO). Der Grundsatz des von den Abmahnkanzleien oft und gerne zitierten „fliegenden Gerichtsstandes“ ist bei Urheberrechtsverletzungen nach dieser, m.E. zutreffenden Entscheidung nicht anwendbar.

(Anmerkung von Rechtsanwalt Kreuter)

Das Amtsgericht begründet seine Entscheidung mit folgenden Argumenten:

Der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten liegt gemäß §§ 12, 13 ZPO aufgrund seines Wohnsitzes  bei dem dort ansässigen Amtsgericht. Die Voraussetzungen für einen besonderen Gerichtsstand, welcher gemäß § 32 ZPO begründet wäre, liegen nicht vor. Die Auslegung des § 32 ZPO nach den Grundsätzen der Wortlautauslegung, der systematischen, teleologischen  und historischen Auslegung ergibt, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet durch filesharing der sogenannte "fliegende Gerichtsstand" nicht begründet ist.

1.

Die Auslegung des Wortlautes des § 32 ZPO richtet sich maßgeblich danach, wie das Tatbestandsmerkmal der "begangenen Handlung" zu verstehen ist. Dies kann bei Begehungsdelikten zum einen der Handlungsort, zum anderen der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde, also der Erfolgsort sein. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet durch filesharing der Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO jeder Ort ist, an dem die Möglichkeit der Internetnutzung vorliegt. Dabei stützt sie sich auf die Rechtsprechung des BGH zu dem Thema des fliegenden Gerichtsstandes bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Presseerzeugnisse (BGH NJW 1977, 1590). Hierin unterscheidet der BGH zwischen drei Orten: erstens dem Ort des Handelns, zweitens dem Ort des Erfolgseintritts sowie drittens dem Ort, an dem weitere Schadensfolgen eintreten. Dabei stellt der BGH klar, dass die weiteren Schadensfolgen die Zuständigkeit des § 32 ZPO nicht begründen können und dass es auf den Erfolgsort nur dann ankommt, wenn nicht bereits die Handlung den Erfolg vollenden könnte [BGH NJW 1977, 1590 II 1.b). Im Ergebnis bemisst sich der Gerichtsstand bei einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch den Bereich, welcher der Schädiger bestimmt, indem er den Verbreitungsbereich seines Presseerzeugnisses selbst festlegt. Dieser durch den Schädiger gewählte Verbreitungsbereich bestimmt daher den sogenannten "fliegenden Gerichtsstand".

Eine solche Bestimmung hat der Beklage aber nicht getroffen. Aus dem Wortlaut des § 32 ZPO allein kann der Rückschluss, dass der Erfolgsort überall dort ist, wo ein Herunterladen des Musikstücks möglich ist, nicht gezogen werden.

Dabei stellt sich das erkennende Gericht der Auffassung des BGH nicht entgegen, wenn es die Ansicht vertritt, dass die Grundsätze des fliegenden Gerichtsstandes auf Urheberrechtsverletzungen durch filesharing im Internet nicht übertragen werden können. Vielmehr versteht sich dieses Urteil als Fortsetzung dieser Rechtsprechung.

Im Gegensatz zu dem Verbreitungsbereich von Presseerzeugnissen ist die weltweite Abrufbarkeit eines Internet-Angebotes nicht notwendigerweise vom Anbietenden bezweckt, sondern eine zwangsläufige, technisch bedingte Gegebenheit des hierfür verwendeten Mediums (OLG Bremen 2 U 139/99, CR 2000, 179). Dabei besteht der Gegensatz zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch Presseerzeugnisse zudem darin, dass der Handlungserfolg erst durch Verbreitung eintreten kann, wohingegen im vorliegenden Fall die tatsächliche Handlung, nämlich das Einstellen des Angebotes in das Internet, die Urheberrechtsverletzung unmittelbar bewirkt, womit die Begründung von Handlungs- und Erfolgsort notwendig zeitlich zusammenfällt.

Nach einhelliger Auffassung ist der Begriff des "Angebotes" im Sinne des § 17 I UrhG wirtschaftlich zu verstehen. Es muss sich nicht um ein Angebot im Sinne der §§ 145 ff. BGB handeln, es muss also dem Adressaten nicht zugehen. Auch Werbemaßnahmen wie Inserate, Kataloge etc., die rechtlich lediglich eine "invitatio ad offerendum" darstellen, sind Angebote im Sinne des § 17 I UrhG. Ob das Angebot Erfolg hat, ist unerheblich. Nach Sinn und Zweck des § 17 UrhG genügt das Heraustreten des Anbietenden aus der internen Sphäre in die Öffentlichkeit. Der Tatbestand des Anbietens ist bereits verwirklicht, wenn auf einer Internetseite dazu aufgefordert wird, ein Produkt zu erwerben, einen Musiktitel herunterzuladen etc. (Schmidt/Wirth/Seifert UrhG 2.Aufl. § 17 Rn. 2; Schricker UrhG 3. Aufl. § 17 Rn. 7; Wandtke/ Bullinger UrhG § 17 Rn. 7). Dies bedeutet, dass der Verstoß gegen das Verbreitungsrecht nicht voraussetzt, dass das Angebot einem Dritten tatsächlich zugeht. Die Rechtsgutsverletzung tritt bereits in dem Moment ein, in dem das Angebot der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (AG Frankfurt MMR 2009, 490, 492). Gleiches gilt für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung aus § 19 a ZPO. Gegenstand dieses Rechts ist das Bereitstellen von Werken zum interaktiven Abruf. Die maßgebliche Verwertungshandlung ist das Zugänglichmachen des Werkes für den interaktiven Abruf. Auf den tatsächlichen Abruf des Werkes kommt es nicht an.

Da es für die Verletzungshandlung auf den Erfolgsort nur dann ankommt, wenn nicht bereits die Handlung den Erfolg vollenden könnte [s.o.: BGH NJW 1977, 1590 II 1.b) aa)], kann der zitierten Rechtsprechung des BGH folgend ein fliegender Gerichtsstand für Urheberverletzungen im Internet gar nicht begründet werden.

Weiterhin versteht das Gericht den Wortlaut des § 32 ZPO so, dass er im Grundsatz gerade nicht eine unbeschränkte Vielzahl von Gerichtsständen erfasst. Denn § 32 ZPO spricht grammatikalisch betrachtet im Singular, nämlich von einem Gericht und einem Bezirk (im Gegensatz zu den "Klagen").

2.

In systematischer Hinsicht unterliegt § 32 ZPO einer restriktiven Auslegung, was sich daraus ergibt, dass der besondere Gerichtsstand einen Ausnahmefall zu dem allgemeinen Gerichtsstand bildet. Das Gericht stellt sich damit der herrschenden Meinung entgegen, demzufolge eine weite Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften bei Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich als angebracht anzusehen ist .

Die Wahlgerichtsstände und ausschließlichen Gerichtsstände stehen zu dem allgemeinen Gerichtsstand des §§ 12, 13 ZPO in einem Regel-Ausnahmeverhältnis. Nach allgemeiner Auslegungsmethodik ist die weite Auslegung einer Regel geboten, wohingegen Ausnahmefällen grundsätzlich nur eine eingeschränkte Auslegung zukommen kann. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber -dem Gebot der Sachdienlichkeit folgend- Ausnahmen zugelassen hat, indem er in den allgemeinen Vorschriften der ZPO (bspw.: §§ 29, 29c, 31, 32 ZPO), in dem besonderen Teil der ZPO (bspw.: §§ 603 I, 942 ZPO) als auch in anderen Gesetzen (§ 14 II UWG, § 440 HGB) eine Vielzahl von besonderen Gerichtsständen vorgesehen hat.

In dem betreffenden Bereich der Urheberschutzverletzungen hat er dies aber gerade nicht getan, sondern lediglich eine in § 105 UrhG normierte Öffnungsklausel für Landesgesetze geschaffen.

Das Gebot der restriktiven Auslegung ergibt sich zudem daraus, dass die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen nicht reinen Zweckmäßigkeitserwägungen folgen, sondern vielmehr Ausfluss des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S.2 GG sind (Zöller-Vollkommen:. § 12, 18; Musielak, Kommentar zur ZPO: 6. Auflage 2008; § 12, Rn. 1). Diesem Auftrag können die Zuständigkeitsregelungen nur gerecht werden, wenn sie mit Einschränkungen formalistisch angewendet werden.

3.

Im Übrigen führt die teleologische Auslegung der Zuständigkeitsregelungen zu der Ablehnung des fliegenden Gerichtsstandes im vorliegenden Fall.

a) Grundlage der örtlichen Zuständigkeit setzt der allgemeine Gerichtsstand gemäß §§ 12, 13 ZPO. Dabei verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Beklagten, der sich einem Prozessverhältnis im Gegensatz zum Kläger nicht entziehen kann, nicht dadurch zu benachteiligen, dass der Rechtsstreit an einen für ihn weit entferntem Ort stattfindet (Musielak, Kommentar zur ZPO: 6. Auflage 2008; § 12, Rn. 1). Dieser Zweck würde in dem vorliegenden Fall durch die Annahme eines fliegenden Gerichtsstandes ausgehebelt, da dieser letztlich dazu führt, dass der Beklagte, nach Wahl des Klägers, überall in Deutschland in Anspruch genommen werden könnte.

b) Weiterhin sind die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit Ausfluss des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (Zöller-Vollkommer, Musielak aaO). Die Zuständigkeitsregelungen sollen dem Beklagten eine gewisse Transparenz verschaffen, so dass er bei Kenntnis der für den Rechtsstreit maßgeblichen Tatsachen von vorneherein erkennen könnte, vor welchen Gerichten ein Rechtsstreit gegen ihn zulässigerweise anhängig gemacht werden könnte. Würde auf Urheberrechtsverletzungen im Internet der fliegende Gerichtsstand angewendet, wäre für den Beklagten unvorhersehbar, an welchem Gericht er hierfür in deliktische Verantwortung genommen werden könnte.

c) Die sinngemäße Auslegung des § 32 ZPO spricht ebenfalls gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. In Falle von unerlaubten Handlungen begründet § 32 ZPO die Zuständigkeit an dem Ort, an dem das Gericht und die Parteien eine Beweiserhebung durchführen können, die aufgrund der räumlichen Nähe besonders prozessökonomisch durchgeführt werden kann. In den Fällen einer Urheberrechtsverletzung kann die Verletzungshandlung am besten an dem Ort aufgeklärt werden, an dem diese begangen worden ist, so dass die Anrufung des Amtsgerichts Frankfurt nicht prozessökonomisch im Sinne des § 32 ZPO wäre. Dies zeigt sich gerade im vorliegenden Fall, indem der Beklagte Zeugen benennt, die ihren Wohnsitz an seinem Wohnort haben. Die Aufklärung der beweiserheblichen Tatsachen kann prozessökonomisch nur am Wohnort des Beklagten stattfinden.

Die Annahme eines fliegenden Gerichtstandes, begründet durch eine im Internet durch filesharing begangene Urheberrechtsverletzung, hält auch der historischen Auslegung des § 32 ZPO nicht stand, da die Möglichkeiten des Internets dem Gesetzgeber des § 32 ZPO nicht bekannt waren.

 

 

Erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der IP-Adressen-Ermittlung

In dem vorliegenden Beschluss des OLG Köln vom 10.02.2011 (Az: 6 W 5/11) im Verfahren auf Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG wurde der Beschwerde eines Abgemahnten stattgegeben, dessen Namen und Anschrift unter Verwendung von Verkehrsdaten einem Rechteinhaber mitgeteilt worden waren.

Die Antragstellerin hatte unter Berufung auf eigene Rechte an einem Filmwerk den Erlass einer Anordnung gem. § 101 Abs. 9 UrhG beim Landgericht Köln erwirkt. Daraufhin wurde der Provider dazu verpflichtet, in Bezug auf mehrere in dem Antrag aufgeführte IP-Adressen den jeweiligen Anschlussinhaber sowie dessen Anschrift mitzuteilen. Die Anschlussinhaber erhielten sodann eine Abmahnung wegen angeblicher Verletzung von Urheberrechten mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz.

Gegen den Auskunftsbeschluss hatte ein Abgemahnter die hier zu entscheidende Beschwerde gem. § 62 FamFG i.V.m. § 101 Abs. 9 S. 4, S. 6 UrhG eingelegt. Die Beschwerde wurde unter anderem darauf gestützt, dass die IP-Adresse fehlerhaft ermittelt worden sei und es daher an einer offensichtlichen Rechtsverletzung fehle.

Das Oberlandesgericht Köln gab dieser Beschwerde nun mit folgender Begründung statt:
Es bestehen im vorliegenden Fall erhebliche Zweifel daran, dass die IP-Adressen, die Gegenstand des Auskunftsverfahrens waren, zuverlässig ermittelt worden sind.

Die wiederholte Nennung von (gleichlautenden) IP-Adressen in dem Auskunftsantrag begründen erhebliche Zweifel an der fehlerfreien Ermittlung.

Der Internetprovider vergibt die IP-Adressen dynamisch, wobei spätestens nach 24 Stunden (einer Internet-Sitzung) eine Zwangstrennung des Anschlusses durchgeführt wird. Innerhalb von 3 Tagen werden einem Anschlussinhaber daher zwangsläufig mehrmals neue IP-Adressen zugeordnet. Dass eine bei einer zweiten Internet-Session zugeordnete IP-Adresse identisch mit einer zuvor vergebenen ist, scheint angesichts der zufälligen Vergabe von IP-Adressen und der Anzahl zur Verfügung stehender IP-Adressen äußerst unwahrscheinlich.

"Es ist daher von erheblich höherer Wahrscheinlichkeit (...) , dass die mehrfache Nennung gleicher IP-Adressen auf einem Fehler bei der Ermittlung, Erfassung oder Übertragung der IP-Adressen beruht."

Die Behauptung, die im Auftrag des Rechteinhabers eingesetzte (Anti-Piracy-) Software arbeite zuverlässig, kann diese gravierenden Zweifel nicht entkräften.

Bearbeiter: RA Kristian Kreuter

15,00 € Schadensersatz für illegal auf Tauschbörse angebotenen Musiktitel
Landgericht Hamburg, Urteil vom 08.10.2010, Az: 308 O 710/09

I. Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin zu 1. EUR 15,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2010 zu zahlen.

II. Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin zu 2. EUR 15,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2010 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt getragen: Die Gerichtskosten tragen die Klägerinnen jeweils zu 5 %, der Beklagte zu 1. zu 30 % und der Beklagte zu 2. zu 60 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. tragen die jeweilige Klägerin jeweils 10 % selbst, der Beklagte zu 1. zu 30 % und der Beklagte zu 2. zu 60 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 2. tragen die Klägerinnen jeweils zu 10 % und im Übrigen der jeweilige Beklagte selbst.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet. Tatbestand.

Die Klägerinnen begehren von den Beklagten Aufwendungs- sowie Schadensersatz wegen des unerlaubten Anbietens zweier Musikaufnahmen in einer Internettauschbörse. Die Klägerin zu 1. ist Inhaberin der ausschließlichen Tonträgerherstellerrechte an der Musikaufnahme "Titel entfernt" der Künstlergruppe "R...", die Klägerin zu 2. ist Inhaberin entsprechender Rechte an der Musikaufnahme "Titel entfernt" des Künstlers "W...". Die Gruppe "R..." gehört zu den national und auch international erfolgreichsten deutschen Musikgruppen. Die Aufnahme "Titel entfernt" stammt aus dem Jahre 1998 und erreichte damals Platz 3 der Singlecharts, das Album mit der Aufnahme "Titel entfernt" hielt sich wochenlang auf Platz 1 der Albumcharts. Das Album wird derzeit noch für € 14,42 bei Amazon gehandelt. Der Künstler "W..." gehört zu den national erfolgreichsten deutschen Interpreten. Die Aufnahme "Titel entfernt" stammt aus dem Jahre 1992. Sie wurde auf dem Album "Titel entfernt" veröffentlicht, welches sich ebenfalls wochenlang auf Platz 1 der Albumcharts hielt. Der Künstler "W..." wurde für dieses Album 1993 mit ECHO-Awards in drei Kategorien ausgezeichnet. Die "digitally remastered" Version des Albums wird derzeit noch für € 13,99 bei Amazon gehandelt. Der am [...].[...].1990 geborene Beklagte zu 2. machte am 22. Juni 2006 um 23:30:09 Uhr (MESZ) über den Internetanschluss des Beklagten zu 1., seines Vaters, in einem P2P- Netzwerk mittels der auf dem "Gnutella"-Protokoll basierenden Software "BearShare" 4.120 Audio-Dateien im Wege des Filesharing für andere Teilnehmer aufrufbar und downloadbar. Darunter befanden sich zwei Dateien mit den oben genannten Musikaufnahmen "Titel entfernt" und "Titel entfernt". Der Beklagte zu 1. hatte keine Kenntnis davon, dass der Beklagte zu 2. an einer solchen Internettauschbörse teilnahm. Die Klägerinnen sahen sich durch die Nutzung der Aufnahmen in ihren Rechten verletzt, erstatteten Strafanzeige gegen die zunächst noch unbekannten Nutzer und übersandten den Beklagten nach Ermittlung von deren Namen und Anschriften durch die Staatsanwaltschaft ein (hier als Anlage K 5 vorgelegtes) Abmahnschreiben vom 25. Januar 2007. Mit ihrer am 22. Dezember 2009 eingegangenen und am 7. Januar 2010 zugestellten Klage verlangten sie zunächst neben den weiterhin anhängigen Ansprüchen auf Aufwendungs- und Schadensersatz auch Unterlassung. Das Unterlassungsbegehren erklärten die Parteien übereinstimmend für erledigt, nachdem die Beklagten am 20. Januar 2010 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hatten.

Die Klägerinnen machen für die Nutzung jeder Musikaufnahme Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von € 300,00 geltend. Sie verweisen auf die fortdauernde Popularität und den Erfolg der Künstler und den Erfolg der Aufnahmen. Als Anknüpfungspunkt für eine Schätzung ziehen sie den GEMA-Tarif VR-W I Ziff. IV. heran. Danach ist für eine öffentliche Zugänglichmachung im Internet im Wege des Streaming (ohne Download) eine Mindestvergütung von € 100,00 für bis zu 10.000 Aufrufe vorgesehen. Die beim Filesharing angebotene Downloadmöglichkeit rechtfertigt nach Auffassung der Klägerinnen eine dreifach höhere Lizenz. Die Klägerinnen verlangen ferner Ersatz der Anwaltskosten für die Abmahnung, die sie nach einem Streitwert von € 9.600,00 mit einer 1,3-Geschäftsgebühr (€ 631,80), einer 0,3- Erhöhungsgebühr (€ 145,80) und einer Pauschale (€ 20,00) in Höhe von € 797,60 berechnen. Die Klägerinnen beantragen, die Beklagten zu verurteilen, 1. an die Klägerin zu 1. € 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. an die Klägerin zu 2. € 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 3. gesamtschuldnerisch an die Klägerinnen die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von €797,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagten stellen in Abrede, vorgerichtliche Schreiben der Klägerinnen erhalten zu haben. Sie bestreiten die Angemessenheit der geltend gemachten Lizenz. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien verwiesen. GründeA. Der noch im Streit befindliche Teil der Klage ist überwiegend nicht begründet. I. Den Klägerinnen steht Schadensersatz nur gegen den Beklagten zu 2. zu und auch gegen diesen nur in Höhe von jeweils €15,00 für jede Musikaufnahme. Der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1. ist nicht begründet. 1. Der Beklagte zu 2. ist den Klägerinnen gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG aF für die Nutzung der Aufnahmen schadensersatzpflichtig. a) Dem Grunde nach besteht ein Schadensersatzanspruch, weil der Beklagte zu 2. das jeweilige Tonträgerherstellerrecht der Klägerinnen widerrechtlich und schuldhaft verletzt hat. Die jeweilige Tonaufnahme ist zugunsten jeder Klägerin als Inhaberin der ausschließlichen Tonträgerherstellerrechte gemäß § 85 UrhG urheberrechtlich geschützt. Zu den Tonträgerherstellerrechten gehören auch das Vervielfältigungsrecht und das Recht des öffentlichen Zugänglichmachens. Der Beklagte zu 2. hat bei jeder Aufnahme in beide Rechte eingegriffen. Denn er hat jede Aufnahme einmal für sich selbst kopiert, was eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellt, und er hat die Aufnahmen zum Aufruf und Download angeboten, was ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19 a UrhG darstellt. Die Nutzungshandlungen waren widerrechtlich, weil die Klägerinnen dem Beklagten zu 2. dazu kein Recht eingeräumt hatten. Eine erlaubte Vervielfältigung zum privaten Gebrauch im Sinne des § 53 Abs. 1 UrhG liegt nicht vor. Denn die Vorlage ist offensichtlich rechtswidrig hergestellt und öffentlich zugänglich gemacht. Der zur Tatzeit 16 Jahre alte Beklagte zu 2. handelte, wie er bei seiner polizeilichen Vernehmung eingeräumt hat, vorsätzlich schuldhaft. Denn danach wusste er, dass er etwas Verbotenes tut. Danach ist auch von seiner Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB auszugehen. Diese wird im Übrigen auch vermutet (Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Auflage, § 828 Rn 6) und der Beklagte zu 2. ist dieser Vermutung nicht entgegen getreten. b) Der Höhe nach ist nur ein Anspruch auf Zahlung von jeweils € 15,00 für jede Aufnahme gegeben. Die Klägerinnen berechnen ihren Anspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie. Zu ermitteln ist daher eine Vergütung, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Da es keinen Tarif für die zu bewertenden Nutzungen gibt, ist die angemessene Lizenz zu schätzen. aa) Das AG Frankfurt/Main nimmt für die streitgegenständliche Nutzung, allerdings ohne nähere Begründung, eine Lizenz von € 150,00 für eine Musikaufnahme an (BeckRS 2010, 00906). Der von den Klägerinnen als Ausgangspunkt für eine Schätzung angeführte GEMA-Tarif VR- W I regelt unter anderem die Vergütung für eine öffentliche Zugänglichmachung von Musik im Internet im Wege des Streaming, Live oder On-Demand. Grundsätzlich knüpft der Tarif an die tatsächlich erzielten Einnahmen des Nutzers an und sieht in Absatz III. eine Regelvergütung von 10 % der durch die Wiedergabe erzielten geldwerten Vorteile vor. In Absatz IV. ist eine Mindestvergütung von € 100,00 für bis 10.000 Zugriffe je gestreamten Ereignis vorgesehen. Diese Mindestvergütung ist nach Auffassung der Klägerinnen ein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Schätzung der streitgegenständlichen Nutzungen. Dem Mehrwert der von dem Beklagten zu 2. beim Filesharing über das Streaming hinaus gehenden Downloadmöglichkeit soll dabei durch eine Verdreifachung der Lizenz Rechnung getragen werden. Die GEMA hatte zunächst für die Nutzung ihres Repertoires im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung die Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3. Der Tarif VR-OD 2 betraf die Nutzung von Werken im Wege des Music-on-Demand mit Download beim Endnutzer zum privaten Gebrauch unter Ausnahme von Ruftonmelodien. Der Tarif VR-OD 3 betraf die Nutzung von Werken im Wege des Music-on-Demand ohne Download ("Streaming") beim Endnutzer zum privaten Gebrauch. Mit Wirkung vom 01.01.2009 fasste die GEMA die Tarife im einheitlichen Tarif VR-OD 5 zusammen. Die Regelvergütung beträgt nach allen Tarifen jeweils 15 % des Endverkaufspreises für die jeweilige Online-Nutzung. Die Mindestvergütung beträgt im Rahmen der Tarife VR-OD 2 und 3 bei Angeboten, die über Marktpreise verfügen, € 0,175 beim Download und € 0,125 beim Streaming für jedes abgerufene Werk. Falls es keine Marktpreise gibt, liegt die Mindestvergütung für einen Download bei € 0,2625 und bei € 0,1875 für ein Streaming. Der Tarif VR-OD 5 legt die Mindestvergütung auf € 0,1278 fest. Erfolgt eine Finanzierung durch Sponsoring, Tausch-, Kompensations- oder Geschenkgeschäfte oder Verkäufe von anderen als zum Music-on-Demand gehörenden Leistungen oder Produkten, beträgt die Mindestvergütung € 0,1916. Der Kammer ist bekannt, dass ein Musikdownload eines Werks den Endnutzer in der Regel etwa € 1,00 kostet. In einer Pressemitteilung des BITKOM wird der Preis mit € 1,08 angegeben (siehe http://www.bitkom.org/presse/30739_62526.aspx). In einem Schiedsstellenverfahren zwischen dem BITKOM und der GEMA hat die Schiedsstelle beim DPMA in einem Einigungsvorschlag vom 5. Mai 2010 (Az. Sch-Urh 57/08) für den Download eines Einzeltitels eine Regelvergütung in Höhe von 11 % des Endverkaufspreises und eine Mindestvergütung von € 0,091 für angemessenen erachtet. Die Vergütung beim Streaming ist mit 2/3 der Downloadvergütung bewertet worden. bb) Der Mindesttarif des GEMA-Tarifs VR-W I scheint auf den ersten Blick am besten zu passen. Denn die Zahl der Downloads oder Streams, die von dem Computer des Beklagten zu 2. abgerufen wurden, ist nicht bekannt, und der Tarif weist eine Vergütung aus, die nicht an die Zahl der tatsächlichen Aufrufe anknüpft. Zu schätzen wäre dann nur der Mehrwert eines Downloads gegenüber einem Stream. Wird die Auffassung der Schiedsstelle zugrunde gelegt, wonach ein Stream 2/3 eines Downloads wert ist, ergäbe sich bei der Streamvergütung von € 100,00 eine Vergütung von € 150,00 für einen Titel, nach Auffassung der Klägerinnen, die den Mehrwert mit dem Faktor 3 bemessen, wären es die eingeklagten € 300,00. Trotz dieser zunächst eingängigen Bewertung vermag die Kammer diesem Ansatz nicht zu folgen. Denn der GEMA-Tarif geht von bis zu 10.000 Downloads aus. Das erscheint in Anbetracht der konkreten Nutzung durch den Beklagten zu 2. überzogen. Denn es handelt sich trotz der Bekanntheit der Künstler um Aufnahmen, die 12 bzw. 18 Jahre sind und bei denen deshalb nur noch von einer begrenzten Nachfrage ausgegangen werden kann. Bereits deshalb hätte sich nach Auffassung der Kammer ein vernünftiger Nutzer nicht auf eine solche Mindestlizenz eingelassen, sondern um eine am Ertrag orientierten Vergütung. Dieser Einwand ist dem Beklagten zu 2. im Rahmen der Schadensbemessung nach der Lizenzanalogie nicht verwehrt. Denn nur weil kein anderer Tarif vorhanden ist, der sich ohne Kenntnis von der konkreten Zahl der Aufrufe gut bei der Schadensbemessung verwerten lässt, muss man sich nicht auf einen Tarif verweisen lassen, mit dem sich gut rechnen lässt. cc) Die Vergütungssätze aus den GEMA-Tarifen VR-OD und der Einigungsvorschlag der Schiedsstelle geben Anhaltspunkte für die Wertigkeit eines Stream- bzw. Downloadangebots. Da die Zahl der Downloads, die von dem Computer des Beklagten zu 2. abgerufen wurden, nicht bekannt sind, muss geschätzt werden. Hier spielen wieder die Bekanntheit der Künstler und das Alter der Aufnahmen eine Rolle, wobei die Kammer trotz der Bekanntheit in Anbetracht der 12 bzw. 18 Jahre alten Aufnahme nur von einer begrenzten Nachfrage ausgeht. Ein weiteres Moment der Schätzung ist der Zeitraum, in dem der Beklagte zu 2. die Aufnahmen öffentlich zugänglich machte. Dazu fehlt jeder Vortrag, so dass in Anbetracht der Darlegungslast der Klägerinnen nur ein sehr begrenzter Zeitraum zugrunde zu legen ist. Wenn ausgehend davon 100 Downloads zugrunde gelegt werden, erscheint das bereits hoch. Wird der GEMA-Tarif VR-OD 5 von € 0,175 für einen Download zugrunde gelegt, dann wäre für 100 Downloads ein Betrag in Höhe von € 17,50 zu zahlen. Wird der von der Schiedsstelle für angemessen erachtet Wert von € 0,091 für einen Download in Ansatz gebracht, beliefe sich die Lizenz bei 100 Downloads auf € 9,10. Wird weiter berücksichtigt, dass bei einer Verletzung von Nutzungsrechten bereits der Eingriff in die allein dem Rechtsinhaber zugewiesene Nutzungsmöglichkeit als solche zu einem Schaden im Sinne des Schadensersatzrechts führt (BGH, Urt. v. 14.5.2009, GRUR 2009, 856, 863 Rn. 69 – Tripp-Trapp-Stuhl; so auch BT-Drucksache 16/5048, Seite 37), erachtet die Kammer bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Lizenz von €15,00 für das Downloadangebot einer Aufnahme für angemessen. c) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. 2. Der Beklagte zu 1. schuldet den Klägerinnen keinen Schadensersatz. Denn er hat für die Rechtsverletzungen nicht als Täter oder Teilnehmer, sondern nur als Störer einzustehen, weil er dem Beklagten zu 2. unter Verletzung von Prüfpflichten seinen Internetanschluss zur Verfügung gestellt hat, über den dieser die Rechtsverletzungen beging. Das schließt eine Schadensersatzpflicht aus (BGH GRUR 2010, 633, 634 Rdn. 17 – Sommer unseres Lebens, insoweit unter Bestätigung der Vorinstanz OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2008, 279 – Ungesichertes WLAN). Eine Übertragung seiner eine Täterschaft begründenden Wertungen in den Entscheidungen "Jugendgefährdende Schriften bei eBay" (BGH GRUR 2007, 890) und "Halzband" (BGH GRUR 2009, 597) auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden lehnt der BGH ausdrücklich ab (BGH GRUR 2010, 633, 634 Rdn. 13 und 15 – Sommer unseres Lebens). II. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die Zahlung von Abmahnkosten. Zwar bestand beiden Beklagten gegenüber ein Unterlassungsanspruch. Die Beklagten sind aber nicht wirksam abgemahnt worden. In der Abmahnung legitimierten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen für sechs verschiedene Tonträgerunternehmen, unter anderem die Klägerinnen, die in ihrer Gesamtheit als die führenden deutschen Tonträgerhersteller bezeichnet wurden. Es wurde ausgeführt, dass die ermittelten 4120 Audiodateien Musikrepertoire enthielten, an denen diese Tonträgerunternehmen die ausschließlichen Verwertungsrechte besäßen. Eine Zuordnung der jeweiligen Audiodateien zu dem jeweiligen Unternehmen erfolgte nicht. Das genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Abmahnung. Das gemeinsame Auftreten von sechs abmahnenden Parteien mit der pauschalen Behauptung, in einer Vielzahl von ermittelten Dateien seien Aufnahmen aus dem Repertoire der Abmahnenden enthalten, vermittelt nicht in gebotener Weise die Sachbefugnis, aus der ein Unterlassungsanspruch hergeleitet wird. Zudem fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit. Es wäre jedenfalls erforderlich gewesen, darzulegen, welcher Abmahnende bzgl. welcher Audiodatei die Rechte geltend macht und die Nutzung beanstandet. B. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 2, 91a ZPO. Dabei sind den Beklagten die Kosten für die durch die Unterlassungsverpflichtungserklärungen der Beklagten erledigten Unterlassungsansprüche auferlegt worden, weil diese, dem Beklagten zu 1. gegenüber aus einer Störerhaftung, dem Beklagten zu 2. gegenüber aus einer Täterhaftung, bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses begründet waren. 2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 11, 711, 709 S. 2 ZPO. Der Streitwert wird auf € 19.200,00 festgesetzt. Der Streitwert setzt sich aus folgenden Einzelstreitwerten zusammen: Unterlassung Klägerin zu 1. gegen Beklagten zu 1.: € 3.000,00 Unterlassung Klägerin zu 2. gegen Beklagten zu 1.: € 3.000,00 Unterlassung Klägerin zu 1. gegen Beklagten zu 2.: € 6.000.00 Unterlassung Klägerin zu 2. gegen Beklagten zu 2.: € 6.000,00 Schadensersatz Klägerin zu 1. gegen Beklagten zu 1 € 600,00 Schadensersatz Klägerin zu 1. gegen Beklagten zu 1 € 600,00 Die unterschiedliche Wertfestsetzung bei den Unterlassungsanträgen ist in dem geringeren Angriffsfaktor des Beklagten zu 1. als Störer begründet. Wegen der zunächst geltend gemachten gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme der Beklagten sind bei jedem Beklagten € 600,00 in Ansatz zu bringen. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind als Nebenkostenkosten nicht zu berücksichtigen.

Quelle: openJur : 59561 (openJur 2010, 3236)

Abmahnung wegen Filesharing - Unterlassungserklärung und Schadensersatz

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 12.Mai 2010 entschieden, inwieweit der Anschlussinhaber eines ungesicherten WLAN-Netzwerkes dafür haftbar gemacht werden kann, dass Dritte über diesen Anschluss in Internet-Tauschbörsen (Peer-to-Peer-Netzwerken) Urheberrechtsverletzungen begehen (sog. Filesharing-Fälle). Danach scheidet bei der hier entschiedenen Fallkonstellation eine Haftung des Abgemahnten als Täter aus, wenn keine Verletzung einer Verkehrspflicht festgestellt werden konnte. Die Grundsätze der Störerhaftung waren im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Insbesondere ist es dem BGH zufolge einem Anschlussinhaber nicht zuzumuten, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechend hohe finanzielle Mittel aufzuwenden. Auch eine Haftung des Abgemahnten als Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung kam nicht in Betracht, da der hierfür erforderliche Vorsatz nicht festgestellt werden konnte. Hinsichtlich der Kosten der Abmahnung ließ der BGH jedenfalls in seiner Pressemitteilung seine Neigung erkennen, die Anwendbarkeit der Deckelungsklausel des § 97 a Abs. 2 UrhG zu bejahen. Danach beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100€.

(BGH I ZR 121/08 - Sommer unseres Lebens)

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