Rechtsanwalt
Kristian Kreuter

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Kein fliegender Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen durch filesharing-AG Frankfurt, Beschluss v. 21.08.2009, Az. 31 C 1141/09-16

 

Bei Urheberrechtsverletzungen, die im Internet durch filesharing begangen worden sein sollen, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohnsitz hat (allgemeiner Gerichtsstand gem. § 12 ZPO). Der Grundsatz des von den Abmahnkanzleien oft und gerne zitierten „fliegenden Gerichtsstandes“ ist bei Urheberrechtsverletzungen nach dieser, m.E. zutreffenden Entscheidung nicht anwendbar.

(Anmerkung von Rechtsanwalt Kreuter)

Das Amtsgericht begründet seine Entscheidung mit folgenden Argumenten:

Der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten liegt gemäß §§ 12, 13 ZPO aufgrund seines Wohnsitzes  bei dem dort ansässigen Amtsgericht. Die Voraussetzungen für einen besonderen Gerichtsstand, welcher gemäß § 32 ZPO begründet wäre, liegen nicht vor. Die Auslegung des § 32 ZPO nach den Grundsätzen der Wortlautauslegung, der systematischen, teleologischen  und historischen Auslegung ergibt, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet durch filesharing der sogenannte "fliegende Gerichtsstand" nicht begründet ist.

1.

Die Auslegung des Wortlautes des § 32 ZPO richtet sich maßgeblich danach, wie das Tatbestandsmerkmal der "begangenen Handlung" zu verstehen ist. Dies kann bei Begehungsdelikten zum einen der Handlungsort, zum anderen der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde, also der Erfolgsort sein. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet durch filesharing der Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO jeder Ort ist, an dem die Möglichkeit der Internetnutzung vorliegt. Dabei stützt sie sich auf die Rechtsprechung des BGH zu dem Thema des fliegenden Gerichtsstandes bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Presseerzeugnisse (BGH NJW 1977, 1590). Hierin unterscheidet der BGH zwischen drei Orten: erstens dem Ort des Handelns, zweitens dem Ort des Erfolgseintritts sowie drittens dem Ort, an dem weitere Schadensfolgen eintreten. Dabei stellt der BGH klar, dass die weiteren Schadensfolgen die Zuständigkeit des § 32 ZPO nicht begründen können und dass es auf den Erfolgsort nur dann ankommt, wenn nicht bereits die Handlung den Erfolg vollenden könnte [BGH NJW 1977, 1590 II 1.b). Im Ergebnis bemisst sich der Gerichtsstand bei einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch den Bereich, welcher der Schädiger bestimmt, indem er den Verbreitungsbereich seines Presseerzeugnisses selbst festlegt. Dieser durch den Schädiger gewählte Verbreitungsbereich bestimmt daher den sogenannten "fliegenden Gerichtsstand".

Eine solche Bestimmung hat der Beklage aber nicht getroffen. Aus dem Wortlaut des § 32 ZPO allein kann der Rückschluss, dass der Erfolgsort überall dort ist, wo ein Herunterladen des Musikstücks möglich ist, nicht gezogen werden.

Dabei stellt sich das erkennende Gericht der Auffassung des BGH nicht entgegen, wenn es die Ansicht vertritt, dass die Grundsätze des fliegenden Gerichtsstandes auf Urheberrechtsverletzungen durch filesharing im Internet nicht übertragen werden können. Vielmehr versteht sich dieses Urteil als Fortsetzung dieser Rechtsprechung.

Im Gegensatz zu dem Verbreitungsbereich von Presseerzeugnissen ist die weltweite Abrufbarkeit eines Internet-Angebotes nicht notwendigerweise vom Anbietenden bezweckt, sondern eine zwangsläufige, technisch bedingte Gegebenheit des hierfür verwendeten Mediums (OLG Bremen 2 U 139/99, CR 2000, 179). Dabei besteht der Gegensatz zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch Presseerzeugnisse zudem darin, dass der Handlungserfolg erst durch Verbreitung eintreten kann, wohingegen im vorliegenden Fall die tatsächliche Handlung, nämlich das Einstellen des Angebotes in das Internet, die Urheberrechtsverletzung unmittelbar bewirkt, womit die Begründung von Handlungs- und Erfolgsort notwendig zeitlich zusammenfällt.

Nach einhelliger Auffassung ist der Begriff des "Angebotes" im Sinne des § 17 I UrhG wirtschaftlich zu verstehen. Es muss sich nicht um ein Angebot im Sinne der §§ 145 ff. BGB handeln, es muss also dem Adressaten nicht zugehen. Auch Werbemaßnahmen wie Inserate, Kataloge etc., die rechtlich lediglich eine "invitatio ad offerendum" darstellen, sind Angebote im Sinne des § 17 I UrhG. Ob das Angebot Erfolg hat, ist unerheblich. Nach Sinn und Zweck des § 17 UrhG genügt das Heraustreten des Anbietenden aus der internen Sphäre in die Öffentlichkeit. Der Tatbestand des Anbietens ist bereits verwirklicht, wenn auf einer Internetseite dazu aufgefordert wird, ein Produkt zu erwerben, einen Musiktitel herunterzuladen etc. (Schmidt/Wirth/Seifert UrhG 2.Aufl. § 17 Rn. 2; Schricker UrhG 3. Aufl. § 17 Rn. 7; Wandtke/ Bullinger UrhG § 17 Rn. 7). Dies bedeutet, dass der Verstoß gegen das Verbreitungsrecht nicht voraussetzt, dass das Angebot einem Dritten tatsächlich zugeht. Die Rechtsgutsverletzung tritt bereits in dem Moment ein, in dem das Angebot der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (AG Frankfurt MMR 2009, 490, 492). Gleiches gilt für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung aus § 19 a ZPO. Gegenstand dieses Rechts ist das Bereitstellen von Werken zum interaktiven Abruf. Die maßgebliche Verwertungshandlung ist das Zugänglichmachen des Werkes für den interaktiven Abruf. Auf den tatsächlichen Abruf des Werkes kommt es nicht an.

Da es für die Verletzungshandlung auf den Erfolgsort nur dann ankommt, wenn nicht bereits die Handlung den Erfolg vollenden könnte [s.o.: BGH NJW 1977, 1590 II 1.b) aa)], kann der zitierten Rechtsprechung des BGH folgend ein fliegender Gerichtsstand für Urheberverletzungen im Internet gar nicht begründet werden.

Weiterhin versteht das Gericht den Wortlaut des § 32 ZPO so, dass er im Grundsatz gerade nicht eine unbeschränkte Vielzahl von Gerichtsständen erfasst. Denn § 32 ZPO spricht grammatikalisch betrachtet im Singular, nämlich von einem Gericht und einem Bezirk (im Gegensatz zu den "Klagen").

2.

In systematischer Hinsicht unterliegt § 32 ZPO einer restriktiven Auslegung, was sich daraus ergibt, dass der besondere Gerichtsstand einen Ausnahmefall zu dem allgemeinen Gerichtsstand bildet. Das Gericht stellt sich damit der herrschenden Meinung entgegen, demzufolge eine weite Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften bei Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich als angebracht anzusehen ist .

Die Wahlgerichtsstände und ausschließlichen Gerichtsstände stehen zu dem allgemeinen Gerichtsstand des §§ 12, 13 ZPO in einem Regel-Ausnahmeverhältnis. Nach allgemeiner Auslegungsmethodik ist die weite Auslegung einer Regel geboten, wohingegen Ausnahmefällen grundsätzlich nur eine eingeschränkte Auslegung zukommen kann. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber -dem Gebot der Sachdienlichkeit folgend- Ausnahmen zugelassen hat, indem er in den allgemeinen Vorschriften der ZPO (bspw.: §§ 29, 29c, 31, 32 ZPO), in dem besonderen Teil der ZPO (bspw.: §§ 603 I, 942 ZPO) als auch in anderen Gesetzen (§ 14 II UWG, § 440 HGB) eine Vielzahl von besonderen Gerichtsständen vorgesehen hat.

In dem betreffenden Bereich der Urheberschutzverletzungen hat er dies aber gerade nicht getan, sondern lediglich eine in § 105 UrhG normierte Öffnungsklausel für Landesgesetze geschaffen.

Das Gebot der restriktiven Auslegung ergibt sich zudem daraus, dass die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen nicht reinen Zweckmäßigkeitserwägungen folgen, sondern vielmehr Ausfluss des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S.2 GG sind (Zöller-Vollkommen:. § 12, 18; Musielak, Kommentar zur ZPO: 6. Auflage 2008; § 12, Rn. 1). Diesem Auftrag können die Zuständigkeitsregelungen nur gerecht werden, wenn sie mit Einschränkungen formalistisch angewendet werden.

3.

Im Übrigen führt die teleologische Auslegung der Zuständigkeitsregelungen zu der Ablehnung des fliegenden Gerichtsstandes im vorliegenden Fall.

a) Grundlage der örtlichen Zuständigkeit setzt der allgemeine Gerichtsstand gemäß §§ 12, 13 ZPO. Dabei verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Beklagten, der sich einem Prozessverhältnis im Gegensatz zum Kläger nicht entziehen kann, nicht dadurch zu benachteiligen, dass der Rechtsstreit an einen für ihn weit entferntem Ort stattfindet (Musielak, Kommentar zur ZPO: 6. Auflage 2008; § 12, Rn. 1). Dieser Zweck würde in dem vorliegenden Fall durch die Annahme eines fliegenden Gerichtsstandes ausgehebelt, da dieser letztlich dazu führt, dass der Beklagte, nach Wahl des Klägers, überall in Deutschland in Anspruch genommen werden könnte.

b) Weiterhin sind die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit Ausfluss des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (Zöller-Vollkommer, Musielak aaO). Die Zuständigkeitsregelungen sollen dem Beklagten eine gewisse Transparenz verschaffen, so dass er bei Kenntnis der für den Rechtsstreit maßgeblichen Tatsachen von vorneherein erkennen könnte, vor welchen Gerichten ein Rechtsstreit gegen ihn zulässigerweise anhängig gemacht werden könnte. Würde auf Urheberrechtsverletzungen im Internet der fliegende Gerichtsstand angewendet, wäre für den Beklagten unvorhersehbar, an welchem Gericht er hierfür in deliktische Verantwortung genommen werden könnte.

c) Die sinngemäße Auslegung des § 32 ZPO spricht ebenfalls gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. In Falle von unerlaubten Handlungen begründet § 32 ZPO die Zuständigkeit an dem Ort, an dem das Gericht und die Parteien eine Beweiserhebung durchführen können, die aufgrund der räumlichen Nähe besonders prozessökonomisch durchgeführt werden kann. In den Fällen einer Urheberrechtsverletzung kann die Verletzungshandlung am besten an dem Ort aufgeklärt werden, an dem diese begangen worden ist, so dass die Anrufung des Amtsgerichts Frankfurt nicht prozessökonomisch im Sinne des § 32 ZPO wäre. Dies zeigt sich gerade im vorliegenden Fall, indem der Beklagte Zeugen benennt, die ihren Wohnsitz an seinem Wohnort haben. Die Aufklärung der beweiserheblichen Tatsachen kann prozessökonomisch nur am Wohnort des Beklagten stattfinden.

Die Annahme eines fliegenden Gerichtstandes, begründet durch eine im Internet durch filesharing begangene Urheberrechtsverletzung, hält auch der historischen Auslegung des § 32 ZPO nicht stand, da die Möglichkeiten des Internets dem Gesetzgeber des § 32 ZPO nicht bekannt waren.

 

 

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